Die Memoranden des Bensberger Kreises -
ein mögliches Modell für die "Loccumer Initiative"

Seit 32 Jahren veröffentlicht der Bensberger Kreis, eine Gruppe von 160 bis 180 kritischen Katholiken, Memoranden zu diversen politischen und auch kirchlichen Fragen. Am bekanntesten wurde das Polenmemorandum von 1968, das ohne Zweifel nicht unwesentlich die neue Ostpolitik vorbereiten half, Die Memoranden haben nicht nur ihren Einfluß auf politische Akteure und die öffentliche Meinung genommen, sondern auch den Kreis immer neu konstituiert bzw. stabilisiert und auch für gute Leute attraktiv gemacht. Sie entstanden nach einem Muster, das sich sehr bewahrt hat,

  1. In den jährlich stattfinden Vollversammlungen wurde ein Thema vorgeschlagen und zu ihm wurden erste Stichworte gegeben. In Konkurrenz zu anderen Themen wurde mit Mehrheit beschlossen, einer Gruppe aus Fachleuten und anderen Interessierten den Auftrag zu erteilen, einen Entwurf auszuarbeiten.

  2. Die Arbeitsgruppe legte eine Disposition fest, diskutierte gründlich die Inhalte und vergab an Einzelne Formulierungsaufträge. Eine(r) wurde zum/zur Federführenden bestellt, der/die vor allem dafür sorgen mußte, daß die Papiere zusammenkamen. Diese wurden mitunter in mehreren Sitzungen eingehend durchgesprochen. Das Ergebnis wurde dann einer Redaktionsgruppe zur Ausformulierung eines Memorandum-Entwurfs anvertraut. In der Redaktionsgruppe waren Journalisten, Schriftsteller oder solche, die bekannt waren für klare, einfache, vor allem verständliche Formulierungen.

  3. Der fertige Entwurf wurde einige Wochen vor der neuen Vollversammlung bzw. einer eigens einberufenen Sonderversammlung allen Mitgliedern zugeschickt, Die konnten entweder schriftlich Änderungen oder Ergänzungen vorschlagen bzw. ihre Wünsche auf der Vollversammlung einbringen.

  4. Die Vollversammlung bestellte ein neues Redaktionskomitee, das alle auf der Versammlung beschlossenen Modifikationen in den Text einzuarbeiten und den Gesamttext noch einmal stilistisch zu überarbeiten hatte. Unter der Leitung von sehr guten Moderatoren arbeitete die Vollversammlung mitunter eineinhalb Tage sehr diszipliniert Satz für Satz durch. Fanden grundsätzliche Einwände eine Mehrheit, wurde der Text an die Arbeitsgruppe zur neuen Ausarbeitung zurückverwiesen. Es kam allerdings bei besonders politischen Themen auch vor, daß die Arbeitsgruppe vor der Formulierung des Memorandumentwurfs erst einmal Thesen in der Vollversammlung debattierte.

  5. Nach der Verabschiedung durch die Vollversammlung und nach der Redaktion des Textes wurde derselbe an alle Mitglieder zur schriftlichen Abstimmung verschickt. In der Regel bekam er dann eine große Mehrheit. Die ihn unterstützen, wurden zusätzlich gefragt, ob sie mit der Veröffentlichung ihrer Namen einverstanden seien.

  6. Die Veröffentlichung des Memorandums geschah oft in einer Pressekonferenz. Den Pressevertreterinnen Bzw. -vertretern wurde eine Erklärung der Sprechergruppe des Bensberger Kreises, eine Kurzfassung von 2 bis 3 Seiten und das Memorandum übergeben. Alle diese Dokumente wurden auch an die nicht anwesenden wichtigsten Zeitungen und Agenturen verschickt. Durch besondere Beziehungen gelang es in den ersten Jahren immer, zugleich eine dpa-Meldung über die Fernschreiber ticken zu lassen. Wichtig war außerdem, das Memorandum nicht nur an die Redaktionen der Zeitungen, sondern auch an Redakteure, die man kannte und von deren besonderem Interesse man wußte, persönlich zu schicken.

  7. Es gelang mehrere Male, die Memoranden in der Frankfurter Rundschau oder in Publik-Forum zu veröffentlichen. Oft brachten andere Zeitungen größere Ausschnitte.

  8. Das etwas mühsame demokratische Verfahren hatte den Vorteil, daß nicht nur die Mitglieder der Arbeitsgruppen, sondern viele darüber hinaus sich im Thema und in den Memoranden auskannten und daher für Vorträge, Podiumsdiskussionen und Gespräche zur Verfügung standen.

  9. Ganz wesentlich hat den teilweise großen Erfolg der Memoranden bedingt:

    a) daß sie analytisch und argumentativ gut durchgearbeitet waren,

    b) daß sie klar Stellung bezogen,

    c) daß sie einfach und verständlich formuliert waren und

    d) daß sie in der Regel nicht mehr als 30 normale Schreibmaschinenseiten ausmachten.

 

Gottfried Erb, 10.3.2000